Heute stiess ich auf folgenden Tweet:
Vier Gründe, warum #Responsives #Webdesign nicht genug ist https://t.co/qZ0qpKyvJh
— Oliver Tamas (@olivertamas) May 1, 2015
Der verlinkte Artikel zählt vier Nachteile von Responsive Design auf. Daraus schliesst die Autorin, dass maximale Ergebnisse für Händler und Marken nur mit „nativen mobilen Websites“ möglich ist.
Als bekennender Befürworter von responsive Design kann ich diese Aussage nicht so stehen lassen. Lasst mich also zu den einzelnen Punkte ein paar Worte verlieren:
1. Unnötig lange Ladezeiten: Das trifft vielleicht zu, wenn man eine bestehende Webseite mit ein paar Media-Queries ergänzt und sich dann als „mobile friendly“ brüstet. Aber schauen wir uns mal an, aus was heute eine typische Webseite besteht:
- HTML: Da kommt man auch bei mobilen Seiten nicht drum rum. Dank Server-seitiger GZIP-Kompression sollte dies aber kein Problem sein.
- Bilder: Bei vielen Webseiten machen grafische Inhalte den Löwenanteil der übertragenen Daten aus. Mit Media-Queries haben wir aber ein sehr gutes Werkzeug um abhängig vom Gerät kleiner oder gar keine Bilder zu laden
- JavaScript: Mit zunehmend interaktiven Webseiten kommen schon mal ein paar JavaScript-Frameworks dazu, welche alle übertragen werden müssen. Standard-Bibliotheken werden aber schnell über CDNs geladen und bleiben im Cache. Wer es ganz ernst nimmt, kann sogar unterschiedliche Dateien abhängig von der Grösse laden.
Kurz: Es gibt viele Möglichkeiten, die Ladezeit einer Webseite zu verkürzen.
2. Benutzeroberfläche wird nicht optimal eingesetzt: Die Autorin behauptet, responsive Design unterbinde die Möglichkeiten zur Interaktion über Berührung, Stimme, Kamera etc. Warum? Swipe-Gesten kann man einbauen, ohne dass dies den Desktop negativ beeinflusst. Mein Laptop hat schon langen ein Mikrofon und eine Kamera, also auch da kein Unterschied zum Smartphone.
Zudem ist hier ein Reality Check angebracht: Wer hat schon mal eine Webseite gesehen, welche auf den Fingerabdruck-Scanner zugreift? Eben.
3. Keine Rücksicht auf die Nutzungssituation: Die Autorin sagt aus, dass der Benutzer eine Webseite auf dem Smartphone anders benutzt als auf dem Desktop. Stimmt. Genau deshalb passen wir diese ja mit responsiv Design an. Wo ist das Problem?
4. Keine Sonderfunktion: Es wird damit argumentiert, dass der Kunde das Smartphone zum Stöbern nach neuen Produkten braucht, den Kauf aber auf einem anderen Kanal abschliesst. Sollte es nicht im Interesse des Betreibers sein, dass der Kunde den Kauf gleich auf dem gleichen Kanal abschliesst? Und selbst wenn nicht: Ich sehe nicht ein wie es im Sinne des Kunden ist, wenn sich gleiche Webseite auf dem Desktop plötzlich ganz anders bedient als zuvor auf dem Telefon.
Nachdem der Artikel nur für Gründe gegen Responsive Design nennt, möchte ich noch ein paar dafür einbringen:
- Es gibt nicht nur Desktop oder Smartphone. Inzwischen werden Webseiten auch auf Phablets, Tablet, Smart-TVs und zunehmend 4k-Bildschirmen angeschaut. Eine gute responsive Webseite sieht überall gut aus.
- Entwickelt man eine Webseite von Anfang an Mobile First, sollte sich der Mehraufwand in Grenzen halten. Dafür sinken die Kosten im Betrieb dramatisch, weil nur eine Codebasis gepflegt werden muss.
- Der Kunde erwartet je länger je mehr, auf dem Smartphone die gleichen Möglichkeiten zu haben wie auf dem Desktop. Ich hasse nichts mehr, als wenn ich auf dem iPad eine funktional und inhaltlich beschnittene „Mobile-Version“ erhalte.
Fazit: Es gibt keinen Grund, eine Webseite nicht responsive zu bauen. Wer wirklich alle Features eines mobilen Gerätes nutzen will, soll eine App anbieten. Aber sicher keine Browserweiche.
PS. Der Originalartikel ist von Keith Lietzke und etwas differenzierter formuliert als die deutsche Übersetzung. Die vier Kritikpunkte bleiben aber die gleichen.